Die Nacht ist vorgedrungen

Kürzlich wurde ich gefragt, was mein Lieblings-Adventslied sei. Da musste ich nicht lange überlegen: „Die Nacht ist vorgedrungen“ von Jochen Klepper.
Heute vor 78 Jahren ist er in den Tod gegangen. Er hat dieses Lied in einer dunklen Zeit geschrieben. Klepper war mit einer jüdischen Frau verheiratet, die zwei Töchter mit in die Ehe brachte, um die Klepper sich sorgte. Die Schlinge, die das Nazi-Regime nach und nach um die Familie zog, wurde immer enger. Klepper musste die Zwangsscheidung von seiner geliebten Frau fürchten und die Deportation von Frau und Tochter ins Konzentrationslager. Vom 10. Dezember 1942 stammt sein letzter Tagebucheintrag, bevor er sich mit den beiden das Leben nahm. Eine dunkle Adventszeit.

Heute leben wir Gott sei Dank in einer anderen Zeit. Und doch bringen auch wir in dieser Adventszeit nicht nur helle und fröhliche Töne mit. Manche von uns bedrückt vielleicht etwas. Manche fragen sich, wie es weitergehen soll. Manche sehen kein Licht im Dunkeln.

Es lohnt sich, einmal mit Kleppers Ohren auf das zu hören, was wir an Weihnachten feiern. Lesen Sie den Text doch im Gotteslob bei der Nummer 220 mal nach oder suchen Sie das Lied auf youtube.
Wenn wir die Worte lesen oder hören, dann fangen wir vielleicht an, uns zu wundern: Weihnachten, das wird gar nicht nur, wenn alles perfekt ist. Weihnachten bedeutet gar nicht, dass alle Sorgen und Nöte aufgelöst werden in Harmonie. Weihnachten bedeutet: Gott kommt in unsere Welt – in dein und mein Leben. Dort lässt er sich von uns finden, wenn wir uns darauf einlassen.

Ob Klepper selbst den Trost der Weihnachtsbotschaft noch gehört hat, als er starb? Jedenfalls endet sein Tagebucheintrag mit den Worten:

„…Wir gehen heute Nacht gemeinsam in den Tod. Über uns steht in den letzten Stunden das Bild des Segnenden Christus, der um uns ringt. In dessen Anblick endet unser Leben.“ (Jochen Klepper, Unter dem Schatten deiner Flügel, Aus den Tagebüchern der Jahre 1932-1942, Gießen 1997, S. 650.)

Christus ringt um uns. Damit wir Wege finden zum Leben. Das glauben wir, wenn wir Weihnachten feiern. Darauf warten wir im Advent.

Ihre Ines Spitznagel