Gesichtserkennung

Predigt am 3. Advent zu Joh 1,6-8.19-28

Liebe Mitchristen, mein mobiler Computer erkennt mich an meinen Gesichtszügen. Sagenhaft! Man sagt auch, in Asien könnten ganz viele durch Gesichtserkennung auf Schritt und Tritt überwacht werden. Seit wir so oft Masken tragen, habe ich selber dagegen größte Schwierigkeiten, Menschen zu erkennen. Klar, ich brauche genau wie die Elektronik eine eingeprägte Vorstellung vom Gesicht zum Abgleich. Und entweder ist jemand gerade nicht gut zu erkennen - oder es gab eben falsche Vorstellungen – ganz so wie gerade im Evangelium.

Die Tempelpriester hatten wohl die Vorstellung, den Gesalbten Gottes, den Christus, tatsächlich jeden Moment vor sich zu sehen. Klar, dass sie prüfen wollten, was es mit diesem Täufer am Jordan auf sich hat. Die Vorstellungen ihrer Delegation passen aber offensichtlich überhaupt nicht, als sie Johannes treffen: Bist du der Christus, Elija, der Prophet. Nein, nein, nein. Bei Johannes sind sie falsch mit ihren Erwartungen. Und das müssen sie sich auch noch aufs Brot schmieren lassen von ihm. Der Täufer sagt: „Mitten unter euch steht er doch – aber ihr kennt ihn nicht.“ Das heißt, Johannes traut diesen Leuten mit ihren fixen traditionellen Vorstellungen gar nicht zu, den Gesalbten Gottes zu erkennen, selbst wenn der zum Greifen nah ist. Sie haben falsche Erwartungen!

Wieder mal gibt der Sonderling am Jordan damit einen entscheidenden Fingerzeig für unseren Advent: Mit falschen Vorstellungen werden wir nämlich Christus nie erkennen, selbst wenn er direkt vor uns steht. Wir werden nicht merken, dass Gott selber menschliche Gesichtszüge trägt bei Jesus. Wir werden nicht merken, dass Gott überhaupt am deutlichsten im Menschen ist – vor mir, in dir, in mir. Das passiert, weil wir so viele falsche Bilder einprogrammiert haben: Bilder von Gott als thronendem Opa, als Moralbuchhalter, Bilder von Jesus als einem Zauberer, einem Supermann, einem sanften Allesversteher. Dabei, meine Lieben, sind Gott und Himmel im Evangelium immer viel näher als in meinem Kopf, und eben auch immer ganz anders als erwartet. Gott hat ein klarstes Gesicht, Jesus. Jesus ist die Ikone Gottes – oder sein biometrisches Passbild. Und mit diesem Abgleich finden wir Gott nun mitten in allem und jedem.

Eine kleine Geschichte spricht davon so: Ein Mann erfuhr, dass Gott zu ihm kommen wollte. Er rannte durch alle Zimmer vom Dachboden bis zum Keller. „Unmöglich!“ schrie er. „Hier istalles verdreckt. Das will Gott nicht sehen“ Er riss Fenster und Türen auf.„Helft mir aufräumen – irgendeiner! Er begann, sein Haus zu fegen. Durch Staubwolken sah er, dass ihm einer zu Hilfe gekommen war. Sie schleppten und schrubbten und putzten und plagten sich den ganzen Tag. Als es Abend geworden war, deckten sie den Tisch. „So“, sagte der Mann, „jetzt kann Gott kommen. Wo er nur bleibt?“ „Aber ich bin ja da!“ sagte der andere und setzte sich an den Tisch.