Alles in Ordnung?

Predigt am 4. Advent über Lk 1,26-38

Liebe Schwestern, liebe Brüder, beim Thema Ordnung, da gehen die Ansichten weit auseinander. Ordnung ist für Kinder etwas anderes als für die Erwachsenen. Ordnung ist verschieden wichtig, je nach Charakter. Ordnung ist das halbe Leben, sagen viele, und legen alles immer rechtwinklig ab. Andere sagen aber: die andere Hälfte mache das Leben erst lebenswert. Und genauso unterschiedlich gut können wir gerade auch mit Ver-Ordnungen umgehen und mit Beschränkungen.

Überlegen Sie mal mit mir, ob nicht tatsächlich Weihnachten auch bei den meisten von uns einer  bestimmten Ordnung folgen muss. Alles soll sein, wie immer: Baum, Lichter, Krippe, Kirche, Essen, Bescherung, etwas heile Welt.

Als Lukas eben anfing zu erzählen, da war ja auch noch alles in Ordnung: Maria ist ein frommes Mädchen. Sie hält Zwiesprache mit einem Gottesboten, oder einfach gesagt: Sie betet. Aber als sie ihr Leben so mit Gott anschaut, erschrickt sie. Und ab da ist gar nichts mehr in Ordnung. Ab jetzt wird ihr Leben eine große Zumutung.

Lukas blickt heute ganz unverklemmt mit uns in Marias Schlafzimmer und vertuscht auch nichts Peinliches. Maria hat einen Freund, den sie heiraten will. Sie wird schwanger und kann sich das nicht erklären. Ein bisschen verschwurbelt sagt sie, dass sie keinen Mann erkennt, also mit keinem Mann geschlafen hat. Dann aber heißt es gleich, dass sie  - und nicht wie damals üblich der Vater  -  dem Kind einen Namen geben soll, daher sollte man vermuten, dass sie alleinerziehend ist. Spickt man noch ins Matthäusevangelium, dann heißt Josef aber doch plötzlich „ihr Mann“ und zieht nach einigem Nachdenken mit ihr zusammen, was damals gleichbedeutend war mit heiraten. Formalitäten und Ämter gab‘s dafür eh nicht. Wer blickt jetzt noch durch? Wie man es auch wendet. Marias Beziehungsstatus war kompliziert, und wer der Vater ihres Kindes war, wusste keiner so genau. Keine heile Welt, eine ziemliche Unordnung. Und damit ganz nah am wirklichen Leben von vielen.

Gott wohnt im Menschen. Gott wohnt in Jesus. Meine Lieben, damals konnte man so einen ziemlich unmöglichen Gedanken nicht anders ausdrücken als mit dem gängigen Bild, dass eine Gottheit Vater eines Menschen wurde. Im nichtjüdischen Umfeld war das eine geläufige Erzählung. Das macht aber die Tatsache, die dahintersteht, nicht falsch. Es geht hier ja gar nicht um die biologische Jungfräulichkeit Mariens. Das ist was für die verklemmte Fraktion unserer Kirche, die Prüderie mit Frömmigkeit verwechselt. Hier geht es um Gott und den Menschen. Lukas sagt uns einfach: Jesus kommt von Gott, ist ganz der Papa!

Und noch etwas Wichtiges lese ich hier: Dass Gott eben nicht nur wohnt, wo alles stimmt. Im Gegenteil. Gott will gerade dort wohnen, wo es drunter und drüber geht, wo wir ihn aber ganz arg brauchen!  Hier ist das im „unordentlichen“ Leben Mariens, in einem Kaff am Ende der Welt, weit weg von den religiösen und politischen Anführern und Schlagzeilen. Da erwarten unbedeutende, arme Leute, die bald zu Heimatlosen werden, ein Kind, von dem wohl keiner etwas Großes erwarten dürfte. Doch diese Unordnung, wo nichts ist, wie es sein soll, ist die Wirklichkeit, in der „Gott rettet“. Diesen Namen: Jesus = „Gott rettet“, bekommt das Kind nämlich. Und Maria bekommt dazu die Gewissheit: „Der Herr ist mir dir. Fürchte dich nicht!“.  Seitdem, liebe Mitchristen steht fest: Gott wohnt mitten in allen Verwundungen, Zumutungen, Ängsten, Unsicherheiten. Gottes Nähe ist keine Belohnung für die Frommen, sondern Medizin für die kaputte Welt. Gott ist mit dir! Fürchte dich nicht!

Pfarrer Matthias Dangel