Morgenglanz der Ewigkeit

Morgenglanz der Ewigkeit,
Licht vom unerschaffnen Lichte,
schick uns diese Morgenzeit
deine Strahlen zu Gesichte,
und vertreib durch deine Macht
unsre Nacht.

Gotteslob Nr. 84, Text: Christian Knorr von Rosenroth (1654), Musik: Johann Rudolf Ahle 1662

Dieses Morgenlied liebe ich. Es hilft uns, auf eine Weise von Gott zu sprechen, die auch dann noch trägt, wenn wir gerade das Buch „Der Gotteswahn“ des englischen Evolutionsbiologen Richard Dawkins gelesen haben.

Für Richard Dawkins steht fest: Der Glaube an Gott ist kindlicher Aberglaube. Denn jedes Kind weiß heute, dass es die Evolution gibt. Schon Kindergartenkinder können uns etwas über Dinosaurier erzählen, die vor 65 Millionen Jahren ausgestorben sind, und sie wissen, dass einige von ihnen die Vorfahren unserer Vögel waren.

Wo bleibt hier Gott?

Zunächst einmal ist die Wissenschaft anzuerkennen. „Gott“ kommt in den Wissenschaften tatsächlich nicht vor. Er kann nicht vorkommen, denn „Gott“ ist kein Gegenstand im Universum. Er ist keine Sonne, kein Mensch, nicht der Oberingenieur über den Wolken. Er kommt in der Welt überhaupt nicht vor. Käme er vor, wäre er ja nur ein TEIL der Welt und nicht ALLES.

Wenn wir als naturwissenschaftlich gebildete Menschen von Gott reden wollen, brauchen wir neue Bilder für unseren Glauben an Gott, die unsere Missverständnisse von gestern überwinden.

Wir müssen zu allererst ein Gespür und ein Bewusstsein dafür gewinnen, dass Wirklichkeit, die sich entwickelnde Wirklichkeit, wirklich ein GEHEIMNIS ist.

Warum ist überhaupt etwas und nicht nichts?
Was ist Zeit? Was ist Materie, was Energie?
Was ist Geist? Woher kommen Ich-und Selbstbewusstsein?
An diesen Fragen arbeitet sich auch die Wissenschaft ab.

Wenn wir von Gott sprechen, dann sagen wir, dann sehen wir: Das alles ist nur scheinbar selbstverständlich. Es ist ein Wunder, ein Geschenk und ein ehrfurchtgebietendes Geheimnis.

Christian Knorr von Rosenroth, der Dichter unseres Liedes, hatte ein Gespür für dieses Geheimnis.

Gott wohnt in unzugänglichem LICHT. Er ist dieses Licht.
Wir können uns kein Bild von ihm machen, denn er (oder sie) ist der EWIGE, über und jenseits aller Zeit.
Zugleich ist sie (oder er) uns nahe: MORGENGLANZ, LICHT.
Und wir bitten um seine Nähe:

Morgenglanz der Ewigkeit,
Licht vom unerschaffnen Lichte,
schick uns diese Morgenzeit
deine Strahlen zu Gesichte,
und vertreib durch deine Macht
unsre Nacht.


Bernhard Bosold