Ansteckende Gesundheit

„Er hauchte sie an und sagte zu ihnen: Empfangt den Heiligen Geist!“ Pfingstpredigt über Johannesevangelium 20, 19–23

Liebe Mitchristen! Abstandsregeln, Mundschutz, Plexiglasscheiben – so langsam ist es Alltag geworden, dass wir uns gegenseitig vor Corona-Ansteckung schützen. Besonders bitter ist die dauernde Unsicherheit, was man noch verantworten kann für die Älteren, die Kranken, die Kinder, für besonders Gefährdete, Heimbewohner usw. Der Schutz wird schnell zur Isolation, führt in Einsamkeit. Die Unsicherheit bringt große Ängste mit sich. Manche sind in höchster Panik, andere verleugnen übermütig alle Risiken. 

Es ist schwer für alle: Da man die Erreger nicht sieht, muss man die Wirkungen einschätzen lernen. Und da hat es der Hauch des Mundes wirklich in sich und kann viele böse infizieren. Das gilt genau so im übertragenen Sinn, dass aus dem Mund  viel Übles kommt: Beleidigungen, verletzende Worte, bissige Hass-Kommentare, zynisches Gerede und jede Menge Lügen und Gerüchte. Hochansteckend, aber leider hält man da selten etwas vor den Mund!

Andererseits brauchen wir Menschen doch unbedingt Nähe zu anderen. Freude will sich ausbreiten, Trost und Mitgefühl sind lebensnotwendig. Auch Begeisterung zieht Kreise wie die Nachricht von einer Geburt oder einer neuen Liebe. Das kann man nicht für sich behalten. Was aus dem Mund kommt, es wirkt also einmal schädlich, ein andermal nützlich. Wie der Atem eine Kerze auslöschen kann, kann er auch ein Feuer anfachen. Bei Kindern wirkt ein bisschen Pusten oft Wunder! Menschen, die sich lieben, spüren den Atem des Partners gern; und einem Bewusstlosen, der beatmet wird, rettet der Atem des andern das Leben.

Genauso wie ansteckende Krankheiten gibt es also auch so etwas wie  ansteckende Gesundheit! Was wir Pfingsten nennen, verstehe ich genau so: als ansteckende Gesundheit. Die Freunde von Jesus, sie waren nach Ostern voll Angst eingesperrt, isoliert, völlig unsicher, wie es weitergeht. Alles hält gleichsam den Atem an. Und doch fangen sie sich eine Infektion ein: „Erhauchte sie an“, heißt es. Es ist dasselbe Wort wie am Anfang der Bibel, als Gott dem Menschen das Leben einhaucht. Jesus beatmet seine Jünger gleichsam von Mund zuMund, haucht ihnen Leben ein, Hoffnung, Zukunft. Eine heilsame Ansteckung geht von da aus um die Welt. Pfingsten ist, wenn Menschen angesteckt werden von Jesus.

Kirche sieht manchmal gar nicht danach aus: Ein paar depressive Leute halten da sozusagen ein Museum offen. Als wäre Gottes Geist eine tödliche Seuche. Die Ansteckung durch Gottes Geist ist etwas anderes. Ich wünsche, dass sich bei uns allen diese Symptome von Pfingsten deutlich zeigen und verbreiten:  gute Worte und Gedanken,  Versöhnung, Verständnis, Vertrauen und Frieden. Trotz Vorsichtsmaßnahmen brauchen wir viel Kontakt und Menschlichkeit. Jesu Geist kann hoffentlich völlig unkontrolliert ausbrechen und alle anstecken.

 

Pfarrer Matthias Dangel