Gott einlassen

Am kommenden Sonntag feiern wir das Fest der Allerheiligsten Dreifaltigkeit.
Ein Gott in drei Personen. Kann man das verstehen?

Ein Text des jüdischen Religionsphilosophen Martin Buber (1902 – 1973) hat mir dabei geholfen zu ahnen, warum der Glaube an den dreifaltigen Gott wirklich ein Kernstück des christlichen Glaubens ist.

„Das ist es, worauf es letzten Endes ankommt: Gott einlassen. Man kann ihn aber nur da einlassen, wo man steht, wo man wirklich steht, da wo man lebt, wo man ein wahres Leben lebt.

Pflegen wir heiligen Umgang mit der uns anvertrauten kleinen Welt, helfen wir in dem Bezirk der Schöpfung, mit der wir leben, der heiligen Seelensubstanz zur Vollendung zu gelangen, dann stiften wir an diesem unserem Ort eine Stätte für Gottes Einwohnung, dann lassen wir Gott ein.“

(in: Martin Buber, Der Weg des Menschen nach der chassidischen Lehre, Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh, 17. Auflage 2012, Seite 56 - 57)

Buber ist überzeugt: Ein wahres Leben kann man nur dort leben, wo man wirklich steht. Dort, wo man in der Übereinstimmung von Können und Wollen und Sollen wahrhaftig lebt und handelt.

Und er ist zugleich davon überzeugt: Wenn wir das tun, wenn wir durch unseren „heiligen Umgang mit der uns anvertrauten kleinen Welt“ der „heiligen Seelensubstanz“ helfen, „zur Vollendung zu gelangen“, dann „lassen wir Gott ein“.

Dieser Gedanke hat mich tief beeindruckt. Und er hilft, zwei zentrale Wahrheiten des christlichen Glaubens besser zu verstehen: Gott ist Mensch geworden. Und Gott ist ein dreifaltiger Gott.

Gott ist Mensch geworden.
In Jesus Christus geschah das bis zur Vollendung.
Es geschieht aber auch überall dort, wo wir, wo Menschen „Gott einlassen“.

Gott ist ein dreifaltiger Gott.
Gott hat Jesus Christus von den Toten auferweckt. Das Menschsein in Jesus, der Gott ganz in sein menschliches Leben eingelassen hat, ist damit zu einer Qualität Gottes geworden, es gehört auf ewig zu Gott. Dies ist nur im Heiligen Geist möglich. Er ist die Liebe, in der sich Gott ganz mit dem  Menschen identifiziert, und die Liebe, in der der Mensch Gott ganz in sein Leben einlässt.

Das ist wirklich eine frohe Botschaft:
Dort, wo wir wirklich leben und unseren Alltag heiligen, wo wir Gott einlassen, wo wir Jesus Christus nachfolgen, dort wird Gottes Reich Wirklichkeit und Gott wird es in seiner Ewigkeit vollenden.

Ich denke, das ist der tiefste Erlösungsgedanke des christlichen Glaubens an den dreifaltigen Gott: Gott wird Mensch, wo er eingelassen wird, auch in uns. Unsere Zeit steht in seinen Händen. Er hat uns beim Namen gerufen. Wir sind und bleiben sein.

Bernhard Bosold