Sommerreligion

Es riecht nach Sommer. Die Corona-Maßnahmen werden gelockert, es zieht uns ins Freie. Schritt für Schritt werden wohl auch die Reisebeschränkungen aufgehoben, wir wagen es, Sommeraktivitäten zu planen. Was macht das mit uns? Hat das Sommergefühl auch etwas mit Kirche und Religion zu tun?

Der leider viel zu früh verstorbene Theologe und Autor Thomas Meurer ist jedenfalls dieser Meinung:

„Man mag sagen, was man will“, schreibt Heinrich Heine in seinen „Reisebildern“, „der Katholizismus ist eine gute Sommerreligion.“ Einen grünseidenen Vorhang zur Seite schiebend, der den Eingang des Domes bedeckt, tritt der Dichter in eines der italienischen Gotteshäuser ein, und sofort, so erzählt er weiter, werden ihm Leib und Herz „angenehm erfrischt von der lieblichen Luft, die dort weht und von dem besänftigend magischen Licht, das durch die buntbemalten Fenster auf die betende Versammlung herabfließt.“ Von einem solchen Ort, der zu Zeiten, wo draußen die Sonne sticht und die Hitze brütet, mit seinem gedämpften Licht und seiner wehenden Kühle zum Verweilen einlade, habe man in unserem protestantischen Norddeutschland gar keinen Begriff, so Heine, „wo die Kirchen nicht so komfortabel gebaut sind und das Licht so frech durch die unbemalten Vernunftscheiben hineinschießt und selbst die kühlen Predigten vor der Hitze nicht schützen.“

Wer sich in den anstehenden Sommerwochen vielleicht eher durch Zufall mitten an einem strahlenden Sommertag in eine Kirche verirrt, wird ähnliche Erfahrungen machen. Und vielleicht stimmt es ja wirklich, dass wenigstens einmal im Jahr die eigene Religion auch eine „Sommerreligion“ sein darf; dass sie mal nicht weise und klug sein muss, sondern unmündig und kindlich leichten Herzens sein darf; dass sie denen Ruhe verschafft, deren Alltag aus schweren Lasten besteht. „Wer sich darin erschöpft, hinter die Bilder zu gucken, der verliert sie,“ sagt der Religionspädagoge Fulbert Steffensky. Wenigstens ab und an muss man damit innehalten, Kirche und Religion immer analysieren, durchschauen und kritisieren zu wollen, Stattdessen darf man eintauchen in die Bilder, Räume und Riten und daraus Kraft ziehen. Auch das ist Religion: ein Ort der Ruhe für die Seele. Vielleicht heute mehr denn je.

Thomas Meurer, Zum (be)Greifen nahe. Glaubensblitze im Alltag, Stuttgart (Katholisches Bibelwerk) 2007, S. 13f.

Genießen Sie die (vor)sommerliche Helligkeit und Unbeschwertheit!

Iris Bosold