Heiligstes Herz Jesu

In einer Nische im Wohnzimmer meiner Großeltern hing ein sehr auffälliges und sehr farbenprächtiges Bild. Zu sehen war ein melancholisch blickender Jesus, der sein Obergewand öffnet und mit beiden Händen auf sein strahlendes Herz in der Mitte der Brust zeigt, das Herz mit der Dornenkrone bekränzt und durch einen deutlichen Einstich durchbohrt. Als Kind faszinierte mich der traurig blickende Christus , später fand ich das Bild nur noch kitschig.

Gibt es nur die schmalzig-süßlichen, vorwurfsvoll blickenden Andachtsbildchen und schmachtenden Plastiken, Überreste aus der Kitschschublade? Oder steckt doch viel mehr hinter den Bildern und vor allem dem Hochfest des Heiligsten Herzens Jesu?

Gehen wir doch einmal der Entstehung und dem Sinngehalt dieses Festes nach.

In der Festfolge fällt auf, dass nach dem Pfingstfest an Fronleichnam und am heutigen Fest vom Heiligsten Herzen Jesu noch einmal ganz bewusst an das Leiden und Sterben Jesu erinnert wird. Der zugrunde liegende Text stammt aus dem Johannesevangelium: Einer der Soldaten (der Legende nach Longinus) stößt mit der Lanze in Jesu Seite und sogleich fließt Blut und Wasser heraus (Joh 19,34) – die „amtliche“ Bestätigung seines Todes. Schon sehr früh wurde in der Theologie und der Frömmigkeit  das Herz Jesu als Symbol seiner Menschheit und als Ausdruck seiner besonderen Liebe zu den Menschen gedeutet Die frühchristlichen Autoren interpretierten die Johannesstelle ekklesiologisch:  Die geöffnete Seite Christi deuteten sie als Pforte des Heils, aus der für die Kirche die Sakramente entspringen; das Blut verstanden sie als Symbol für die Eucharistie, das Wasser als Zeichen für die Taufe.

 Im Mittelalter wurde die Herz-Jesu-Frömmigkeit immer beliebter: Besonders in den mystischen Strömungen kam es zu einer sehr verbreiteten Anrufung des heiligen Herzen Jesu. Berühmte Mystikerinnen wie Mechthild von Magdeburg wie  auch Gertrud von Helfta widmen in ihren mystischen Betrachtungen dem Herzen Jesu einen großen Raum. Im 17. Jahrhundert führten die Jesuiten die Herz-Jesu-Andachten als Form der Volksfrömmigkeit ein. Diese erhielten Auftrieb durch die Visionen der Margareta Maria Alacoque († 1690).

1856 wurde das Fest in der gesamten  katholischen Kirche eingeführt, Papst Leo XIII. weihte zur Jahrhundertwende 1899 die ganze Welt dem Herzen Jesu. . Am 10. Januar 1915 wurde Deutschland von den katholischen Bischöfen dem heiligsten Herzen Jesu geweiht. 1910 war in Paris die monumentale Basilika „Sacre Coeur“ auf dem Märtyrerberg, dem Montmartre, fertiggestellt worden. Im 18. und 19. Jahrhundert sind etliche Frauen- und Männerkongregationen entstanden, die sich dem Herzen Jesu gewidmet haben und bis heute in der Seelsorge, der Bildung und der Zuwendung gerade zu den Randgruppen unserer Gesellschaft tätig sind.

Die monatlichen Herz-Jesu-Freitage und das heutige Fest zeigen, dass es gut ist, immer wieder im Lauf eines Jahres über das Geschenk der Liebe nachzudenken. Liebe ist nie abstrakt, Menschen erfahren sie oderleiden unter dem Mangel an Liebe. Das Fest zeigt uns, dass wir Menschen Gott nicht fremd sind, sondern ihm am Herzen liegen. Und das setzt auch für uns Maßstäbe: Das Fehlen eines liebenden Herzens beim Menschen ist schon im Alten Testament als Defizit beschrieben. Das prophetische Wort des Ezechiel (11,19) ist da Mahnung und Anspruch:“ Ich gebe ihnen ein einmütiges Herz und einen neuen Geist gebe ich in euer Inneres. Ich entferne das Herz von Stein aus ihrem Fleisch und gebe ihnen ein Herz von Fleisch.“

Und was heißt das konkret? Das Schulprofil des Herz-Jesu-Gymnasiums in Salzburg versucht diese Übersetzung: „Sensibel werden für Gott, die eigene Würde und Berufung sowie für den Anderen, besonders den Schwächeren.“

Iris Bosold