Gedanken zum 4. Fastensonntag / 1.Samuel 16,1-13 und Johannes 9,1-41

Liebe Mitchristen, im Märchen vom Aschenputtel (oder Cinderella) ist das richtig  märchenhaft, wie eine Randfigur am Ende zur Prinzessin wird, die Außenseiterin zur Hauptperson. Das gemobbte, ausgenutzte Mädchen, auf der alle herumhacken und die keine Chance sieht, da jemals herauszukommen, die überholt plötzlich alle, wird interessant und wichtig und prominent und kriegt den Prinzen. Ein Traum wird wahr. Die Realität sieht meist anders aus. Dabei wünschten die meisten im Moment nicht mal einen traumhaften Aufstieg vom Tellerwäscher zum Millionär etwa, sondern einfach nur wieder etwas Normalität. Doch auch das bleibt gerade ein Traum. Wir sind bedroht und ausgeliefert. Jeder soll selber sehen.   

Sind die Geschichten der Bibel von diesem Sonntag auch nur Träume? Kann das denn wahr sein, wenn der Prophet Samuel da einen König für Israel auswählen, salben soll, und eben nicht den Stattlichsten, den Vorzeigbarsten, den Favoriten auswählt? Der Reihe nach sieht er sich die Söhne Isais an. Und Samuel spürt: Gott meint den Allerkleinsten, den, der beim Viehhüten ist, an den keiner gedacht hat: David. Und ausgerechnet der hat Zukunft, wird zum berühmtesten König Israels.

Nicht anders ist es bei dem Blinden im Evangelium. Da fragen sich die dummen, frommen Leute, was der wohl verbrochen hat, dass er blind ist. Und dann unterstellen sie auch gleich, dass da irgendein Betrug stattfindet. Das kann ja wohl nicht wahr sein, dass ein Blinder sehen kann! Der kann nicht wichtig sein, denken sie. Selber schuld. Zum Glück nicht wir. Der hat keinen Durchblick, der ist nutzlos, der darf höchstens von Almosen leben, was bei anderen übrig bleibt.

Aber genau DIE sind die Größten: der kleine dreckige Viehhirte ist es. Der behinderte Bettler ist es. Großes geschieht nicht nur bei Stars, Würdenträgern, Königen. Nein,  das Größte geschieht an den Kleinsten – das ist diese ganz andere Logik Gottes. Die Großen meinen, schon alles zu haben und zu können. Die brauchen nichts und niemand. Die Kleinen, Kranken, Schwachen, die haben den eigentlichen Durchblick: Die brauchen andere, die brauchen Gott. Das Wirken Gottes  wird da am deutlichsten, wo der Weg steil ist, wo es durch Krankheit und Angst geht, durch Sorgen und Probleme, sogar durch das Inferno des Todes. Und Gott ist gerade deshalb so nah, weil der wirkliche König der Welt in einem Viehstall geboren wird und als Aufrührer mit kurzem Prozess aufgehängt wird.

Liebe Gemeinde, vermutlich sind wir mit unserer gewohnten Spass-Gesellschaft alle reichlich blind geworden für Gott und das, was wirklich zählt. Die große gemeinsame Angst in unseren Corona-Zeiten ist da ein Augenöffner. Wir sehen, dass nicht nur zählt, wer oben ist und die Nase vorn hat. Im Gegenteil! Wer in den Augen anderer abgeschrieben und übersehen ist, der ist in Gottes Augen am wichtigsten! Die Menschen etwa in Italien, die gefährdeten Alten, die isolierten Einsamen, die eingesperrten Familien, die Leute ohne Arbeit, alle Hilflosen, alle die panisch sind und so sehr von Normalität träumen, das sind unsere Prinzen und Prinzessinnen!!! Das sind Gottes Königskinder!!! Und um seine Schwächsten sorgt der Vater sich am meisten!

Passende Lieder: Gotteslob Nr. 221, 270, 489

Pfarrer Matthias Dangel