Im Wartezimmer

Predigt zum 7. Ostersonntag über Apostelgeschichte 1, 12-14

Liebe Schwestern, liebe Brüder, in einem Wartezimmer ist keiner gern allzu lange. Es fühlt sich an wie verlorene Zeit. Man ist ausgeliefert und bestimmt nicht selber, was passiert. So warten die Kinder gerade auf das Wiedersehen in der Schule, im Laden muss man Schlange stehen. Nichts klappt sofort, wie wir gern hätten.

Lukas, der setzt uns heute gewissermaßen alle ins Wartezimmer. Die Lesung vorhin aus seiner Apostelgeschichte ist ja die Fortsetzung von Himmelfahrt. Jesus ist weg, in den Himmel aufgenommen. Seine besten Freunde, seine Mutter, seine Verwandten und einige Frauen ohne Namen sind in diesem Wartezimmer. Hier ist die Rede von einem Obergemach, in dem sie nun ständig bleiben und immerzu beten. Sie wissen nicht, was kommt, sind ängstlich, können nur abwarten. Ein Wartezimmer halt. Jesus hat ihnen zwar einen Termin zugesagt mit dem Heiligen Geist. Aber wann und wie? Mal Abwarten!

Diese ständigen Unklarheiten nach Ostern damals, bis man wieder Boden unter den Füßen hat, bis sich klärt, was seit Ostern passiert ist, dass Jesus lebt, dass sein Geist in allen lebt, das war wohl kaum auszuhalten – vielleicht ähnlich wie das Warten auf wichtige Laborergebnisse. Und in solchen Unklarheiten leben wir alle meiner Meinung nach derzeit.

Liebe Mitchristen, wir sitzen alle im Wartezimmer. Wir haben die Kontrolle über das Leben verloren seit Corona. Wir warten und warten sehnsüchtig auf Normalität, Sicherheit, auf Klarheit, menschliche Nähe, Freiheit, Ergebnisse der Forschung, gute Erklärungen, die wir verstehen. Machen kann ich nicht viel, nur Warten.

Gut, sich daran zu erinnern, dass Warten nicht nur lästig ist. Warten ist gewissermaßen ein Kennzeichen von Religion überhaupt. Denken wir an den Advent oder die Fastenzeit oder die Vorbereitung auf Taufe, Erstkommunion, Firmung. Große Momente brauchen Geduld, Erwartung, Vorfreude, Konzentration. Man spürt dann auch etwas sehr Wichtiges: Ich habe es nicht allein im Griff. Das Größte bekomme ich geschenkt. Es geht zuerst um Gott, ums Ganze, um alles, um Schwache und Hilflose, und erst dann geht es um mich. Ich kann das nicht steuern. Ich muss mich in die Warteschlange einreihen. Glauben, das ist nicht zuerst meine Aktion. Glaube ist als erstes: Erwartung, Warten auf Gott, auf mehr und mehr Einsicht und Vertrauen.

Damals, im Obergemach in Jerusalem, fällt mir freilich noch ein Wort besonders ins Auge, das Wort: „einmütig“. Diese Wartenden streiten nicht und nörgeln nicht, sondern sind einmütig verbunden. Sie sind Schicksalsgemeinschaft, sie gehen zusammen und lassen alle gelten.

Wie sonst sollte es auch gut weitergehen unter Menschen, Nationen, Kirchen? Nicht ich und meins, sondern Gott und unsere Anliegen. Kein Streit um die Reihenfolge, sondern gemeinsam hoffen: Sicher kommen wir bald dran. Der Nächste bitte, sagt mir dann der Heilige Geist.

Pfarrer Matthias Dangel

Hausgottesdienst mit Kindern am siebten Sonntag der Osterzeit, 24. Mai 2020

Alles wird gut - Waldschule Ohmenhausen