Neu sehen lernen

Ein Jahr geht zu Ende, das viel Unvorhersehbares gebracht hat. Wer hätte zu Beginn des Jahres gedacht, dass Kontaktverbote ausgesprochen werden; dass man darüber diskutiert, wen man an Weihnachten treffen darf und ob das Fest in unseren Kirchen überhaupt gefeiert werden kann.

Es ist vieles durchkreuzt worden im letzten Jahr. Vielleicht haben wir aber auch manches neu sehen gelernt: Wie verletzlich unser Leben ist. Wie angewiesen wir darauf sind, dass wir aufeinander achten und Rücksicht nehmen. Wie wichtig unsere Beziehungen sind: in unseren Familien, unter Freunden, in sozialen Netzen.

Neu sehen lernen. Das ist das Thema von Weihnachten. Zwei Menschen, Maria und Josef, machen sich auf den Weg nach Bethlehem, wo sie Opfer des wohl bekanntesten Beherbergungsverbotes der Weltgeschichte werden: „Sie hatten keinen Raum in der Herberge.“  Es gibt keinen Ort in der Welt, an dem Gott zur Welt kommen kann.

Und er kommt doch. In einem dunklen und kalten Stall, dort, wo es keiner erwartet, wird Gott Mensch. Das feiern wir heute. Über dem Feld, auf dem die Hirten ihre Arbeit tun, wird es auf einmal hell. In die Finsternis hinein kommt der Ruf: „Fürchtet euch nicht! Ich verkündige euch große Freude!“

Weihnachten bedeutet, dass es Neuanfänge gibt, wo wir es nicht erwarten. Weihnachten bedeutet, dass es hell werden kann, wo wir Finsternis sehen. Weihnachten bedeutet, dass es Perspektiven geben kann, die wir erst entdecken müssen. Vielleicht kann dieses Weihnachtsfest uns neu sehen lehren. Neue Entdeckungen schenken. Neue Perspektiven eröffnen für ein Neues Jahr. Ich wünsche es Ihnen jedenfalls von Herzen. Ich wünsche Ihnen, dass es auch in diesem Jahr bei Ihnen Weihnachten werden kann.

Ihre Ines Spitznagel