Jesus nachfolgen – mit kleinen Schritten!

Predigt zum 11. Sonntag im Jahreskreis – Mt 9,36-10,8

Liebe Gemeinde,

manchmal fühle ich mich wie die vielen Menschen ganz am Anfang des Evangeliums: müde und erschöpft und orientierungslos. Besonders jetzt, wo man nicht weiß, wie es die nächsten Wochen und Monate weitergeht – wo es mehr Fragen als Antworten gibt – wo sich vieles verändert und mich verwirrt. Da fühle ich mich manchmal ganz kraftlos und allein. Da wünsche ich mir, dass mir jemand neue Kraft gibt und neue Hoffnung schenkt.

Im Evangelium hören wir, dass Jesus an den erschöpften Menschen nicht einfach vorbeigeht. Nein: Er hat Mitleid mit ihnen. Das kennen wir auch aus anderen Bibelstellen: Überall, wo Jesus Menschen trifft, interessiert er sich dafür, wie es ihnen geht. Er ist besonders für die Menschen da, denen es schlecht geht, die müde, verzweifelt, kaputt und belastet sind. Jesus hat Mitleid mit diesen Menschen, er leidet mit ihnen. Sein Mitleid zeigt sich darin, dass er etwas für die Menschen tut. Er verkündet das Reich Gottes und schenkt den Menschen damit neue Kraft und Hoffnung. Er heilt Kranke, treibt Dämonen aus und schenkt den erschöpften Menschen damit neues Leben. Jesu Mitleid ist also nicht nur ein Gefühl, sondern es treibt ihn dazu an, den Menschen zu helfen. Auch im heutigen Evangelium ist Jesu Mitleid so eine Antriebs-Kraft. Weil er Mitleid mit den vielen erschöpften Menschen hat, ruft er seine Jünger zu sich und erteilt ihnen einen Auftrag: Sie sollen von nun an wie Jesus für die Menschen da sein, ihnen helfen, sie befreien.

Der Evangelist Matthäus schreibt mit einer Liste auf, wer diese 12 Männer sind. Er nennt ihre Namen. Damit bleiben die 12 nicht anonym, sondern sie werden ganz persönlich benannt. Jeder von ihnen hat seine eigene Geschichte mit Jesus. Die 12 Männer kommen aus ganz unterschiedlichen Orten und Familien, sie hatten unterschiedliche Berufe. Jeder von ihnen bringt seine eigenen Fähigkeiten und Begabungen, seine Stärken und Schwächen mit. Die 12 Namen zeigen, dass sie unterschiedlich sind, dass jeder einzigartig ist. Und doch haben sie eines gemeinsam: Sie alle haben gemerkt, dass ihr Leben mit Jesus gelingt. Sie haben gespürt, dass Jesus ihnen Kraft für ihr Leben gibt, auch wenn die Zukunft manchmal unsicher ist. Diese Kraft können und sollen sie jetzt auch an andere Menschen weitergeben, das trägt Jesus ihnen auf.

Ich bin davon überzeugt, dass Jesus uns heute noch in seine Nachfolge ruft. Der Auftrag an die Jünger, er gilt auch für uns heute. Ganz persönlich werden wir auch heute noch angesprochen und von Jesus gerufen, ihm nachzufolgen. Wie die 12 Jünger, so hat jede und jeder von uns seine einzigartige Geschichte mit Gott. Er wendet sich uns allen ganz persönlich, auf eine je ganz eigene Weise zu. So ruft Gott jeden und jede ganz unterschiedlich dazu auf, so zu handeln, wie Jesus es getan hat. So, wie wir sind und mit dem, was wir gut können, sollen wir uns wie Jesus für andere einsetzen. Jede und jeder auf seine Weise.

Aber wie soll das gehen? Wie können wir heute Jesus nachfolgen? Wie können wir seinen Auftrag an die Jünger heute noch erfüllen? Es ist wohl klar, dass man weder damals noch heute eine mächtige Zauberkraft bekommt, die Kranke heilt, Tote aufweckt, Aussätzige rein macht oder Dämonen austreibt. Was bedeutet das alles überhaupt? Man könnte den Auftrag Jesu vielleicht so verstehen:

Sprengt die Spannungen und Strukturen, die Menschen krank machen; nehmt den Menschen die Angst, die sie nicht mehr schlafen lässt!

Holt die eingeschlossenen Menschen aus ihrer tödlichen Einsamkeit heraus!

Habt offene Türen und Herzen für die Menschen, mit denen sonst keiner etwas zu tun haben will!

Befreit die erschöpften und traurigen Menschen von allem, was ihnen nicht gut tut!

Vielleicht können wir so besser verstehen, was der Auftrag Jesu bedeutet. Leichter wird er dadurch trotzdem nicht! Es ist schon ziemlich viel, was wir da tun sollen – was ich da tun soll. Das überfordert mich ehrlich gesagt. Ich bin doch weder Jesus noch einer dieser 12 Jünger! Manchmal fühle ich mich doch eher wie die müden und erschöpften Menschen – da brauche ich selbst jemanden, der sich um mich kümmert.

Wenn ich da dann aber spüren darf, dass Gott mein Leben mitgeht, dass er Mitleid mit mir hat und mich auch in schweren Zeiten nicht verlässt, dann gibt mir das neue Hoffnung und Kraft. Mit dieser Kraft kann ich es wagen, kleine Schritte zu gehen: Da kann ich einem anderen Menschen aufmerksam zuhören, wenn er mir von seinen Sorgen erzählt; da kann ich mit anpacken, wo meine Hilfe gebraucht wird; da kann ich einer Freundin einen Fehler verzeihen oder einem Fremden ein Lächeln schenken. Diese kleinen Schritte können viel bewirken. Mit kleinen Schritten kann ich die Kraft weitergeben, die Gott mir geschenkt hat. Ja, weil Gott mir sein Mitleid schenkt, kann ich wiederum anderen mein Mitleid schenken. So schaffe ich es, Jesus nachzufolgen: Schritt für Schritt und mit ihm zusammen!

 

Pastoralassistentin Amelie Zimmer